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Wahlrechtsreform der Ampel: Mit der Axt

Bei der letzten Bundestagswahl haben mir 31,7 Prozent der Menschen im Wahlkreis München Ost – und vielleicht gehörten Sie dazu – ihre Stimme gegeben. Vor dem Hintergrund eines insgesamt schwierigen Wahljahres für die Union war das ein ganz gutes Ergebnis, immerhin das stärkste Resultat in München, für das ich sehr dankbar bin.

Wahlrechtsreform der Ampel: verfassungsrechtlich fragwürdig

Ginge es nach den aktuellen Ampel-Plänen zur Reform des Wahlrechts, säße ich heute nicht im Deutschen Bundestag, um den Münchner Osten in Berlin zu repräsentieren. Um mein eigenes Schicksal geht es mir aber tatsächlich nicht: Wer sich einer Wahl stellt, muss immer damit rechnen, auch mal zu verlieren. Gerade weil ich und viele weitere Direktkandidaten aber nicht verloren, sondern gewonnen haben, halte ich den Vorschlag der Ampel für nicht vereinbar mit den Grundprinzipien unseres Wahlrechts und seine Verfassungsmäßigkeit ist sehr fraglich.

736 Abgeordnete sind zu viel

Um den Bundestag auf die Regelgröße von 598 Abgeordneten zu begrenzen, haben Vertreter der Ampel vorgeschlagen, dass es keine Überhangmandate mehr geben soll, die entstehen, wenn eine Partei mehr Direktmandate gewinnt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen würden. Bisher wurden diese Mandate durch Ausgleichsmandate kompensiert, bis das Verhältnis wieder dem Zweitstimmenergebnis entspricht. Dies führte dazu, dass der Bundestag von Wahl zu Wahl größer wurde. Aktuell zählen wir 736 Abgeordnete – dass sich hier etwas ändern muss, steht außer Frage.

Bayerische Städte besonders betroffen

Die Lösung der Ampel: Die Direktkandidaten mit dem schwächsten Ergebnis sollen nicht in den Bundestag einziehen, obwohl sie fair gewonnen haben. Und in vielen Fällen noch nicht einmal knapp. Nehmen Sie mein Beispiel: Der Abstand auf die Zweitplatzierte, Vaniessa Rashid von den Grünen, betrug immerhin fast zehn Prozentpunkte. Zehn weitere CSU-Kollegen wären, legt man das letzte Wahlergebnis zugrunde, heute nicht im Parlament. Betroffen wären vor allem größere Städte wie München, Augsburg und Nürnberg, aber auch Erlangen, Fürth sowie Passau. Im Osten der Republik wären übrigens manche Wahlkreise ganz verwaist, hätten also nicht einmal einen Listenkandidaten, der aus dem Wahlkreis stammt.

Vorschlag wird zu Politikverdrossenheit führen

Ich finde es problematisch, dass Kandidaten, die mit über 30 Prozent gewählt wurden, nicht in den Bundestag einziehen, ein Kollege in Berlin mit einem Ergebnis von 25 Prozent hingegen schon. Darüber hinaus muss man sich die Frage stellen, ob ein solches System nicht zu Politikverdrossenheit führt: Im Endeffekt sind manche Stimmen mehr wert als andere – und warum sollte man eigentlich zur Wahl gehen, wenn man nicht sicher sein kann, ob die eigene (Erst-)Stimme überhaupt zählt?

Kleinerer Bundestag, riesige Ministerien

Ein Aspekt kommt mir in der Debatte außerdem völlig zu kurz: Ein Argument für die Wahlrechtsreform ist, dass Abgeordnete und ihre Mitarbeiter von Steuergeld bezahlt werden. Es sei den Steuerzahlern nicht zu vermitteln, immer mehr Abgeordnete zu finanzieren. Das Argument ist richtig, aber scheint bei den Ministerien und der Verwaltung keine Rolle zu spielen.

Hier schafft die Ampel eine neue Rekordzahl an Stellen für hochbezahlte Beamte, die zum Teil mehr verdienen (und den Steuerzahler kosten) als Bundestagsabgeordnete. Die aktuelle Zahl: 27.000! Dazu kommt, dass die Legislative, also der Bundestag, die Bundesregierung kontrollieren soll. Mit dieser zahlenmäßigen Unwucht zugunsten der Exekutive dürfte das immer schwieriger möglich sein. Wollen die Regierungsparteien in ihrer Argumentation ernstgenommen werden, sollten sie auch ihren eigenen Ministerinnen und Ministern neue Stellen verweigern und zur Sparsamkeit anhalten.

Wahlrecht darf nicht zum Spielball politischer Mehrheiten werden

Es bleibt zu hoffen, dass die Ampel-Parteien doch noch auf die Union zugehen und ein Kompromiss gefunden werden kann. Unser Wahlrecht ist zu wichtig, denn unsere Demokratie hängt davon ab, als dass man es zum Spielball politischer Mehrheiten machen sollte.