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Suizidhilfe: Wie ich abgestimmt habe – und warum

Ein schwieriges Thema beschäftigte uns diese Woche im Bundestag: die Hilfe zur Selbsttötung. Kein Gesetzesentwurf zur Regulierung der Suizidhilfe fa...

Der Deutsche Bundestag beschäftigte sich diese Woche mit einem äußerst schwierigen Thema: der Suizidhilfe. Die Befassung wurde notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht 2020 das 2015 eingeführte Verbot der geschäftsmäßigen Suizidhilfe durch ein wegweisendes Urteil aus dem Strafgesetzbuch gestrichen hatte.

Geschäftsmäßig bedeutet in diesem Fall nicht auf wirtschaftlichen Gewinn ausgerichtet, sondern lediglich auf Wiederholung. Eine Regelung, unter welchen Umständen die Sterbehilfe zulässig ist, darf der Gesetzgeber aber durchaus festlegen, nur das grundlegende Recht auf selbstbestimmtes Sterben dürfe nicht angetastet werden, so die Richter in Karlsruhe.

Und genau um eine Regelung der Hilfe zur Selbsttötung ging es diese Woche im Bundestag. Zwei Gesetzesentwürfe wurden debattiert und abgestimmt – nicht entlang von Fraktionsgrenzen, sondern, wie bei Gewissensfragen üblich, ohne Fraktionszwang. Wie Sie vermutlich bereits mitbekommen haben, fand keiner der Entwürfe eine Mehrheit.

Was sahen die Entwürfe vor?

Der Vorschlag der Gruppe um Ansgar Heveling (CDU) und Lars Castellucci (SPD) stand inoffiziell unter dem Leitsatz: Den begleiteten Suizid ermöglichen, aber nicht fördern. Der Entwurf der Gruppe sah eine grundsätzliche Strafbarkeit vor, aber mit geregelten Ausnahmen.

Im Strafgesetzbuch sollte es dazu heißen: „Wer in der Absicht, die Selbsttötung einer anderen Person zu fördern, dieser hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Eine Ausnahme im Sinne des Entwurfs besteht dann, wenn ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie den Sterbewilligen im Abstand von drei Monaten (bei schwerer Krankheit auch ein kürzerer Zeitraum) untersucht und dabei feststellt, dass der Sterbewunsch in freier Verantwortung geäußert wird.

Ferner soll es eine verpflichtende, ergebnisoffene Beratung geben. Werbung für Suizidhilfe soll verboten sein.

Auf eine Regelung außerhalb des Strafgesetzbuches setzte die Gruppe um Katrin Helling-Plahr (FDP) und die Grüne Renate Künast. Nach den Vorstellungen der Gruppe soll jeder Arzt einer sterbewilligen Person ein entsprechendes Mittel verschreiben können. Voraussetzung ist eine ausführliche medizinische Beratung und dem Arzt muss eine Bescheinigung über ein Gespräch in einer Beratungsstelle vorgelegt werden.

Wie habe ich abgestimmt?

Ich habe für den Entwurf der Gruppe Heveling / Castelucci gestimmt. Das Bundesverfassungsgericht hat uns zwar durch seine Rechtsprechung nahezu gezwungen, erneut bei dem Thema aktiv zu werden, allerdings ist auch in mir selbst die Überzeugung gereift, dass die Suizidhilfe unter strengen Voraussetzungen möglich sein sollte.

In unserem Grundgesetz steht ganz am Anfang: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Der Staat darf niemals darüber entscheiden, welches Leben würdig oder lebenswert ist und welches nicht. Unser Grundgesetz ist eine Verfassung des Lebens und nicht des Sterbens!

Genauso wenig sollte sich der Staat allerdings anmaßen, für einen individuellen Menschen entscheiden zu können, ob er oder sie das Leben persönlich noch als würdig empfindet.

Als Christ würde ich jeden ermutigen, sich für das Leben zu entscheiden, und natürlich kann und soll der Staat Schutzvorkehrungen treffen, damit nicht Menschen beim Suizid geholfen wird, die diese Entscheidung zu wenig durchdacht haben.

Aber: Einen Menschen, der von Krankheit schwer gezeichnet ist, dessen Leben maßgeblich von Schmerz und Frust erfüllt ist, der all die Dinge, die das Leben für ihn lebenswert gemacht haben, nicht mehr tun kann und der sich die Entscheidung für den Tod reiflich überlegt und aus freien Stücken getroffen hat, den dürfen wir als Politiker nicht zum Leben zwingen. Und schon gar nicht zum Qualtod.

Aus Gesprächen mit Palliativmedizinern weiß ich, dass viele unheilbar Kranke zunächst um Suizidhilfe bitten, später aber froh sind, dass sie ihnen verweigert wurde, da die Palliativmedizin mittlerweile weit fortgeschritten ist und in den meisten Fällen ein Sterben in Würde und ohne Schmerzen möglich macht.

Ich sehe die Suizidhilfe allerdings auch gar nicht als Gegensatz zur Palliativmedizin. Ich glaube, wenn Menschen wissen, dass es im Notfall, im unwahrscheinlichen Fall, dass das Leiden unerträglich wird, einen Ausweg gibt, fällt es ihnen leichter, sich auf die palliativmedizinische Behandlung einzulassen.

Keine Mehrheit – was nun?

Dass keiner der Vorschläge eine Mehrheit fand, bedeutet das Fortbestehen der aktuellen Rechtslage, die das Bundesverfassungsgericht geschaffen hat: Suizidhilfe ist grundsätzlich erlaubt. Dennoch halte ich es für dringend notwendig, dass der Gesetzgeber diese wichtige Frage regelt und rechtliche Unsicherheiten für beide Seiten, Sterbewillige und potenzielle Helfer, beseitigt.

Vielleicht war dieser unbefriedigende Ausgang der Debatte auch der Situation angemessen. Zwischen Heizgesetz und Ampel-Gezanke ging die Auseinandersetzung um die Suizidhilfe in der öffentlichen Wahrnehmung unter. Eine derart grundlegende Frage sollte nicht nur im Bundestag, sondern auch in der Gesellschaft diskutiert werden, wenn man Akzeptanz für eine Entscheidung herbeiführen will.

Das Thema eignet sich wirklich nicht für Parteipolitik, aber die Frage, warum die Ampel-Fraktionen auf eine Debatte in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause bestanden, darf man sich schon stellen. So sachlich und kollegial im Plenum auch debattiert wurde, würdig war die Gesamtsituation nicht.