Das Paul-Löbe-Haus gilt als Arbeitszimmer des Deutschen Bundestages © Deniz Caglayan / Unsplash

Neuer Bürgerrat: Das Parlament darf sich nicht selbst entwerten

Brauchen wir wirklich Bürgerräte? Ich finde: Wer in seinem Wahlkreis tief verwurzelt ist und viel mit den Menschen dort spricht, braucht keinen Bür...

Als direkt gewählter Wahlkreisabgeordneter steht die Tür meines Wahlkreisbüros immer offen, man kann sowohl im Bundestags- als auch im Wahlkreisbüro anrufen oder eine E-Mail dorthin schreiben – was viele Menschen auch wahrnehmen. Ich gehe auf Veranstaltungen, Podiumsdiskussionen, Jubiläen und Feiern, auf denen ich mit vielen Menschen persönlich spreche. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, fast täglich im Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern des Wahlkreises München Ost zu stehen.

Zweifelhafte Diagnose

Die oft geäußerte Behauptung, „die Politik“ habe sich „von den Bürgern entfernt“, kann ich so nicht bestätigen. Genau dies wird aber oft als Begründung dafür angeführt, weshalb es eines Bürgerrates bedürfe. Ein solcher, der sich mit den Themen Umwelt- und Klimaverträglichkeit der Landwirtschaft, Haltungsbedingungen von Nutztieren, Produktion von Produkten, transparente Lebensmittelkennzeichnung und Lebensmittelverschwendung beschäftigen und dann Handlungsempfehlungen für den Deutschen Bundestag erarbeiten soll, wurde gestern von der Bundestagsmehrheit eingesetzt. Die Mitglieder sollen zunächst gelost und im Anschluss von der Bundestagsverwaltung so ausgewählt werden, dass sie die deutsche Gesellschaft abbilden.

Zweifel an einem echten Abbild der Gesellschaft

Ich tue mich damit schwer und will Ihnen auch erläutern warum. Zunächst traue ich dem Verfahren nicht. Bei 160 Mitgliedern kann rein statistisch die Bevölkerung nicht repräsentativ abgebildet werden. Also kommt zu dem Losverfahren ein weiteres Auswahlverfahren durch die derzeit SPD-geführte Bundestagsverwaltung hinzu. Wie repräsentativ das Ergebnis dann wirklich ist – hier darf man ruhig Zweifel anmelden.

Die wissenschaftliche Beratung – die einen starken Einfluss auf die Handlungsempfehlungen des Bürgerrates haben wird, handelt es sich doch nicht um Fachleute, die dort tagen – wird von den Fraktionen bestimmt. Da jede Fraktion zwei Wissenschaftler benennen darf, gibt es hier eine gewisse Unwucht zugunsten der Regierung. Die Ampel benennt sechs Experten, wir als Union lediglich zwei.

Kosten, die nicht in die Zeit passen

Dann wären da noch die Kosten. 3 Millionen Euro lassen wir uns den Bürgerrat kosten. Das mag angesichts von Steuereinnahmen, die sich einer Billion Euro annähern, nicht viel sein, aber: Die Herangehensweise, hier ein paar hunderttausend Euro für diese Organisation, da ein paar Millionen für jenes Projekt, führt doch genau dazu, dass wir mit dem Geld, das die Steuerzahler Tag für Tag hart erarbeiten, nicht auskommen. Ein neues Gremium zu schaffen, während die Ampel aus Kostengründen den Bundestag schrumpft – das passt nicht zusammen.

Und hier liegt auch der Unterschied zum ersten Bürgerrat, der noch unter der Schirmherrschaft des damaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble eingesetzt wurde. Die Corona-Pandemie, die Energiekrise und der Ukraine-Krieg haben den Haushalt schwer belastet. In diesen Zeiten müssen wir uns noch genauer überlegen als sonst, für was wir öffentliche Gelder ausgeben.

Bessere Formen der Bürgerbeteiligung

Dabei habe ich überhaupt nichts gegen Bürgerbeteiligung, im Gegenteil! Ich fände es gut, wenn die Ausschüsse des Deutschen Bundestages öfter Bürgerbefragungen veranstalten würden – vor allem zu Themen wie beispielsweise Ernährung, die jeden Bürger tagein tagaus betreffen. Das wäre ein sinnvoller Weg, die Institutionen unserer parlamentarischen Demokratie näher an die Menschen heranzuführen.

Können unsere Kernaufgabe nicht outsourcen

Das Parlament ist immer noch die Herzkammer unserer Demokratie. Wir als Abgeordnete sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden, wie es im Grundgesetz heißt. Es ist unsere Aufgabe, Themen zu diskutieren und nach bestem Wissen und Gewissen gute Entscheidungen für die Bürger zu treffen. Das ist unser Auftrag, für den wir gewählt wurden – und  den können und sollten wir nicht „outsourcen“!

Ich bin überzeugt: Wer in seinem Wahlkreis tief verwurzelt ist und mit den Menschen dort im ständigen Austausch steht, der braucht keinen Bürgerrat, um zu wissen, was die Menschen bewegt und was sie sich von uns Politikern wünschen. Aber vielleicht ist das das eigentliche Problem der Ampel-Parteien?