Wüstensand, Minztee und prachtvolle Mosaike – solche Tausendundeine-Nacht-Bilder gehen Ihnen vielleicht durch den Kopf, wenn Sie an Nordafrika und den Nahen Osten denken – und Sie liegen damit auch nicht falsch! Dass es in Marokko, Tunesien und Algerien aber noch viel mehr zu entdecken gibt – spannende grüne Technologieprojekte, engagierte Politiker und großes zivilgesellschaftliches Engagement –, davon konnte ich mir kürzlich selbst ein Bild machen. Denn: Ich reiste mit einer Delegation aus Mitgliedern des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Deutschen Bundestages nach Nordafrika. Das Ziel: Uns einen Überblick über die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in der MENA-Region, wie Nordafrika und der Nahe Osten bezeichnet werden, zu verschaffen.
Marokko: Rosenwasser und grüner Wasserstoff
In Marokko standen die Themen nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Beschäftigung im Vordergrund: Wir besuchten das Projekt „PEDEL“, bei dem insbesondere Frauen bei der Gründung von Unternehmen unterstützt werden. Unvergesslich ist der Duft der Rosenblüten, aus denen „Femmes de Dadès“, eine Frauen-Kooperative, Rosenwasser und andere bio-zertifizierte Produkte herstellt. Mittlerweile zählt der Zusammenschluss 17 Mitglieder und wird von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gefördert.
Besonders wichtig, gerade angesichts der derzeitigen Energiekrise, waren mir die Themen Klima und erneuerbare Energien. Aus diesem Grund besichtigten wir einen der größten Solarkomplexe der Welt: „NOOR“, das arabische Wort für Licht, ist auf einer Fläche von 3.000 Hektar entstanden. Das aus vier Großprojekten bestehende Werk erzeugt mit insgesamt 580 Megawatt ausreichend Energie für 1,3 Millionen Menschen.
„NOOR“ ist ein Symbol für die Vorreiterrolle Marokkos in Sachen Klimaschutz. Das Land hat die grüne Energiewende beschlossen und ist – vor allem auch wirtschaftlich – erfolgreich damit. Die CO2- Emissionen Marokkos entsprechen dem Ziel der Paris Agenda und dem 1,5-Grad-Ziel. Ein bisschen stolz dürfen wir hier ebenfalls sein, denn die deutsche Bundesregierung half über die KfW bei der Finanzierung des Komplexes.
Sehr beeindruckend war für mich das Gespräch mit der marokkanischen Energieministerin Leila Benali. Wir tauschten uns über nachhaltige Energien und Wasserstoffkooperationen aus. Deutschland unterstützt Marokko beispielsweise bei dem Bau einer Referenzanlage zur Erzeugung von grünem Wasserstoff – und das in einer bisher weltweit einzigartigen Größenordnung: 10.000 Tonnen grüner Wasserstoff sollen dort nachhaltig produziert werden können. Darin liegen ein riesiges Klimaschutzpotenzial und ein Beitrag zur Energiesicherheit in beiden Ländern.
Tunesien: Bildung und smarte Business-Ideen
In Tunesien wollten wir uns einen Überblick über die Lage nach der Auflösung des tunesischen Parlaments verschaffen. Besonders interessant war das Gespräch, das ich mit Najila Bouden Romdhane führen konnte. Sie ist die erste Premierministerin Tunesiens und die erste Regierungschefin der arabischen Welt überhaupt. Im Mittelpunkt unseres Austausches standen die Themen Bildung und die Möglichkeiten, die eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Tunesien bietet.
In einem Start-up-Zentrum in Tunis gab es einige spannende Geschäftsideen zu entdecken. Sehr smart fand ich ein Mini-Klärwerk für die Gastronomie, das 80 Prozent des Abwassers aufbereiten und wieder in den internen Kreislauf einspeisen kann. Durch den Klimawandel ist Wasser in vielen Regionen der Erde ein äußerst kostbares Gut (und wird es zunehmend werden), weshalb es genau solcher Ideen und Innovationen bedarf.
Algerien: Gute Gespräche und Grüne Gemeinden
In Algerien wurden wir sehr freundlich von der deutschen Botschafterin, Elisabeth Wolbers, empfangen. Außerdem besichtigten wir die „Grünen Gemeinden“. Hier werden Pilotgemeinden bei der Erarbeitung und Umsetzung ihrer Aktionspläne für erneuerbare Energie und Energieeffizienz unterstützt und geschult. Darüber hinaus besuchten wir das Projekt „Schutz der Umwelt und Biodiversität in den Küstenregionen“ in Tipiza und es gab Gespräche mit Vertretern der Deutsch-Algerischen Industrie- und Handelskammer (AHK) und der GIZ in den prachtvollen Räumlichkeiten der AHK.
Die Reise hat mich in der Überzeugung bestärkt, dass in einer vertieften wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Europa und den nordafrikanischen Staaten große Chancen liegen – vor allem im grünen Energiesektor und vor allem jetzt, da wir uns schnellstmöglich aus der fatalen Energieabhängigkeit von Russland befreien und den Klimawandel bekämpfen müssen. Es ist höchste Zeit!