Jetzt, da es in Deutschland in strammen Schritten auf den Winter zugeht und die Temperaturen fallen, mache ich Sie hoffentlich nicht allzu neidisch, wenn ich von meiner Reise ins deutlich wärmere Kolumbien und Bolivien berichte. Allerdings: Ich war in der vergangenen Woche natürlich nicht zum Vergnügen in Südamerika, sondern mit einer Delegation des Bundestages unterwegs, um uns die Ergebnisse deutscher Entwicklungshilfe anzuschauen.
Deutsche Unterstützung für die Integration Geflüchteter
Los ging es mit einer Besichtigung der Grenzbrücke zwischen Kolumbien und Venezuela sowie illegaler Grenzübergange. 7,1 Millionen Venezolaner haben seit 2016 ihr Land verlassen. Kolumbien hat davon 2,5 Millionen Geflüchtete aufgenommen.
Deutschland hilft hier über das Programm „SI Frontera“ sowohl Menschen aus den aufnehmenden Gemeinden, als auch den Geflüchteten. Es sorgt für besseren Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen und psychologischer Unterstützung, für Schulbildung und juristischer Beratung für die Regelung des Aufenthaltsstatus.
Der seit fünf Jahrzehnten andauernde bewaffnete Konflikt in Kolumbien (der trotz Friedensvertrag leider immer noch nicht befriedet ist) hat auch viele Menschen innerhalb Kolumbiens zur Flucht gezwungen. Das von Deutschland über die GIZ geförderte Projekt „PROINTEGRA“ ermöglicht Binnenflüchtlingen eine Ausbildung in der Textilbranche, etwa im Ausbildungszentrum CTC, das wir besucht haben.
Das Programm ist ein voller Erfolg: In den ersten beiden Ausbildungsgängen haben 55 Opfer interner Vertreibung ihre Ausbildung abgeschlossen und 90% der Ausgebildeten haben in Textilbetrieben Arbeit gefunden oder wenden die erworbenen Kenntnisse in der eigenen Schneiderei an.
Menschen Sicherheit geben
Eine weitere Konsequenz des bewaffneten Konflikts: Es sind viele informelle Siedlungen in Kolumbien entstanden, die von Binnenflüchtlingen bewohnt werden. Damit die Menschen nicht von dort vertrieben werden können und Familien von Nationalen Wohnungsbauprogrammen erreicht werden, müssen diese Siedlungen legalisiert werden. Auch diesen Prozess begleitet „PROINTEGRA“. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Eingliederung ist Maria Teresa, ein Stadtteil Cúcutas, den wir besucht haben.
Waldschutz gegen die Klimakrise
Am nächsten Tag besuchten wir das Außenministerium, um dort über den Waldschutz zu sprechen, der für den Klimaschutz von enorm großer Bedeutung ist. In Kolumbien ist mehr als die Hälfte der Landfläche bewaldet. Zwar ist auch hier der Amazonaswald bedroht – durch Landwirtschaft, Drogenanbau, illegalen Holzeinschlag und den Abbau von Bodenschätzen –, allerdings setzt sich Kolumbien stark für die Reduzierung der Entwaldung ein.
Das ambitionierte Ziel: ein vollständiger Entwaldungsstopp bis 2030. Sehr wichtig ist hier die Initiative „Visión Amazonía“, deren Ziel es ist, nachhaltige Landnutzung möglich zu machen und gleichzeitig natürliche Ressourcen zu schonen.
Eine etwas andere Müllabfuhr
In Bogotá haben wir die Vereinigung „León Verde“ besucht, die recyclebare Abfälle sammelt und klassifiziert. In Kolumbien wird der Großteil der recyclebaren Abfälle von informellen Wertstoffsammlern (aktuell circa 50.000 Frauen und Männer) gesammelt, sortiert und weiterverkauft. Über deren Arbeitssituation haben wir uns informiert – außerdem darüber, wie Deutschland über das Projekt „PREVEC“ hilft, das Recycling von Abfällen im Rahmen von Kreislaufwirtschaftsstrategien zu verbessern.
Ein wichtiger Baustein war und ist hierbei die Unterstützung bei einem gesetzlichen Formalisierungsprozess der Vereinigungen von Wertstoffsammlern, so dass sie offiziell als Dienstleistungsunternehmen für die Städte im Abfallmanagement tätig sein können.
Bolivien: An den Taten sollt ihr sie erkennen
In Bolivien wurde die Luft spürbar etwas dünn – buchstäblich, denn La Paz, die Hauptstadt Boliviens, liegt auf circa 3.600 Metern über dem Meeresspiegel. Damit ist die Stadt der weltweit höchstgelegene Regierungssitz! Und über ihr thront der schneebedeckte Illimani, der zweithöchste Berg Boliviens. Eine beeindruckende Kulisse!
Das Programm startete mit einem Gespräch mit dem Vizepräsidenten Boliviens David Choquehuanca Céspedes. Wir haben uns vor allem über Umwelt und Klimaschutz ausgetauscht: Bolivien verfügt über große Tropenwälder und eine große Artenvielfalt. Außerdem besteht ein großes Potenzial für erneuerbare Energien und den Klimaschutz.
Allerdings gibt es große Herausforderungen, die die Regierung zu zögerlich angeht oder – man muss es leider so drastisch sagen – teilweise befeuert sie die Umweltzerstörung sogar. Probleme gibt es etwa bei der Abfall- und Abwasserwirtschaft, Flüsse sind durch den (oft informellen) Bergbau belastet, es gibt illegalen Holzeinschlag. Zudem führt die Ausweitung der landwirtschaftlichen Flächen sowie Waldbrände zu vergleichsweise hohen Entwaldungsraten und Naturschutzgebiete sind durch Erdöl- und Gasförderungsvorhaben gefährdet.
Vergiftetes politisches Klima
In der Residenz des deutschen Botschafters in Bolivien haben wir uns mit bolivianischen Abgeordneten über die politische Kultur ausgetauscht. Auf dem Bild ist die Senatorin Virginia Velasco der Regierungspartei MAS-IPSP zu sehen.
In Bolivien sind die Fronten zwischen den drei Fraktionen im Parlament verhärtet, leider betrachten sie einander misstrauisch und eher als Feinde denn als politische Mitbewerber. Allerdings gibt es seit 2020 Bestrebungen zur Depolarisierung. Daran beteiligt sind die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Friedrich-Ebert-Stiftung und das Büro der Koordinatorin der Vereinten Nationen. Das Ziel: Dialog und Annäherung zwischen zentralen politischen Akteuren der verschiedenen politischen Lager in einem geschützten Raum ermöglichen.
Beim Empfang habe ich mich außerdem sehr über den Austausch mit Victor Hagemann, Direktor der Hanns-Seidel Stiftung Bolivien, gefreut.
Hoch über La Paz
Am nächsten Tag kam fast etwas Skifahr-Feeling auf – zumindest fühlte es sich in den Gondeln der österreichischen Firma Doppelmayr fast so an. In La Paz gehört die Seilbahn allerdings nicht zum Wintersport, sondern vielmehr zum ÖPNV. Das Seilbahnnetz „Mi Teleférico“ ist das größte der Welt und erschließt die Hauptstadt La Paz und die Nachbarstadt El Alto. 2014 wurde es eröffnet und bringt mittlerweile täglich 300.000 Menschen von A nach B.
Die Seilbahngesellschaft ist allerdings auch gesellschaftspolitisch aktiv: Mit Deutschland gibt es zum Beispiel eine Kooperation zur Prävention von Gewalt gegen Frauen. Ein großes Problem in Bolivien: Dreiviertel aller Bolivianerinnen geben an, Gewalt durch einen Partner oder Ex-Partner erlitten zu haben. Dazu kommt, dass ein nicht unerheblicher Teil der Gesellschaft (35 Prozent) Verständnis für diese Gewalt aufbringt.
Deutsche Entwicklungspolitik: Echt nachhaltig
Mit der Seilbahn ging es dann auch zu einer Wasseraufbereitungsanlage, die auf unglaublichen 4.260 Metern liegt. Wie nachhaltig Entwicklungspolitik sein kann, hat sich hier deutlich gezeigt: 2 Millionen Menschen in La Paz und El Alto werden durch Aufbereitungsanlagen mit Trinkwasser versorgt, die in den 60er- und 70er-Jahren mit Unterstützung durch das deutsche Entwicklungsministerium gebaut und erweitert wurden.
Eigentlich wären noch Termine in Santa Cruz angestanden, die aber aufgrund der Sicherheitslage ausfallen mussten. Das führte allerdings zu einer sehr berührenden Begegnung in La Paz mit Pater Neuenhofer, dem Gründer der Fundación Arco Iris (Regenbogen-Stiftung), deren Mission es ist, Straßenkindern Unterkünfte zu besorgen und eine Ausbildung zu ermöglichen.
Das Krankenhaus der Stiftung ist mittlerweile das zweitbeste des Landes. Dessen enorme Energiekosten konnten durch Unterstützung aus Deutschland drastisch gesenkt werden. Einsparungen pro Jahr: 74.000 kWh!
Mein Fazit
Reisen wie diese sind wichtig – weil man zum einen sieht, wie konkret und nachhaltig deutsche Unterstützung das Leben der Menschen in anderen Ländern besser macht, zum anderen weil man im direkten Austausch erfährt, wo der Schuh noch drückt und wir nachsteuern sollten.