In globalen Wertschöpfungsketten sind über 450 Mio. Menschen beschäftigt © Pixabay

Faire und nachhaltige Lieferketten in Europa und weltweit

Die Verabschiedung eines Lieferkettengesetzes ist der nächste Schritt auf dem Weg hin zu mehr Sozialverträglichkeit und Nachhaltigkeit in globalen Wertschöpfungsketten. Die derzeitige kontroverse öffentliche Debatte um das Lieferkettengesetz zeigt jedoch, dass es nach wie vor viele Missverständnisse in Bezug auf das geplante Gesetzesvorhaben gibt.

Als Befürworter erhöhter menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten für Unternehmen möchte ich daher im Folgenden einige Missverständnisse ausräumen:

Das Gesetz soll…

  • definieren, welche Pflichten Unternehmen beim Schutz von Menschenrechten haben und wie Unternehmen diesen in ihren Lieferketten nachkommen können.
  • Unternehmen dazu verpflichten, über ihre Anstrengungen Bericht zu erstatten.
  • Die Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern vor Gericht stärken und einen Weg eröffnen, Schadensersatzansprüche in Deutschland geltend zu machen, für den Fall, dass ein Unternehmen keine angemessenen Sorgfaltsmaßnahmen ergriffen hat, um einen vorhersehbaren und vermeidbaren Schaden zu verhindern. Das gilt auch für Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten oder Tochterunternehmen des Unternehmens.

Soll das Lieferkettengesetz für alle deutschen Unternehmen gelten?

Nein. Das von Entwicklungsminister Gerd Müller und Arbeitsminister Hubertus Heil geplante Lieferkettengesetz soll Unternehmen ab 500 Beschäftigte zur Einhaltung von Sozial- und Menschenrechtsstandards in ihrer gesamten Lieferkette verpflichten.

Wann haftet ein Unternehmen?

Grundsätzlich gilt, dass Unternehmen nur haften, wenn Schäden erkennbar und mit angemessenen Maßnahmen vermeidbar waren. Von Unternehmen wird dabei nur verlangt, was ihnen angesichts ihres individuellen Kontextes (Unternehmensgröße, Art der Geschäftstätigkeit oder der Stellung in der Lieferkette bzw. der Nähe zum Zulieferer) möglich ist. Ein Unternehmen haftet nicht, wenn das Angemessene im Rahmen der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten getan wurde und es dennoch zu einer Schädigung gekommen ist (Bemühungspflicht). Zusätzlich kommt es auf Ausmaß, Schwere, Reparabilität des Schadens, aber auch in Abwägung des (je nach Unternehmensgröße) relativen Aufwands und der Kosten der Sorgfalt an.

Verlangt das Gesetzesvorhaben, dass ein Unternehmen alle menschenrechtlichen Herausforderungen in seiner Lieferkette gleichzeitig angeht?

Nein. Unternehmen sollen sich im Falle mehrerer identifizierten menschenrechtlichen Herausforderungen zunächst auf die wesentlichen Risiken konzentrieren.

Welche Menschenrechte und Umweltstandards müssen Unternehmen im Rahmen eines Lieferkettengesetzes respektieren?

Dazu gehören beispielsweise das Recht auf Leben, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit, die Vereinigungsfreiheit, das Verbot von Diskriminierung am Arbeitsplatz und das Recht auf Gesundheit.

Ist die Industrie hierzulande geschlossen gegen die Verabschiedung eines Lieferkettengesetzes?

Nein. Viele Unternehmen, wie beispielsweise BMW, Daimler, Tchibo, Vaude, Ritter Sport, Nestlé Deutschland und Hapag Lloyd sprechen sich seit geraumer Zeit für einen einheitlichen Gesetzesrahmen mit verbindlichen menschenrechtlichen Mindeststandards aus. Mir ist wichtig, dass diejenigen Unternehmen, die sich bereits heute dafür einsetzen, dass soziale Sorgfaltspflichten bei ihren Lieferketten eingehalten werden, durch ihr Engagement keine Wettbewerbsnachteile erleiden. Wir brauchen gleiche Regeln für alle.

 

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass wir alle, Verbraucher und Unternehmer, deutlich mehr tun können, damit ausbeuterische Arbeit und Menschenrechtsverletzungen in der Produktion von Gütern endlich der Vergangenheit angehören. Das geplante Lieferkettengesetz ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Denn – um mit einem Zitat unserer Bundeskanzlerin zu schließen – „die Wirtschaft hat den Menschen zu dienen und nicht umgekehrt.“