Fast zwei Jahrzehnte nach dem friedlichen Übergang von der Apartheid in die Demokratie befinden sich Staat und Gesellschaft in Südafrika noch immer im Wandel. Die Vision des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) von „Besseren Lebensbedingungen für alle Menschen im Land“ hat sich bisher nur für eine Minderheit erfüllt. Während eine neue „schwarze“ Mittelschicht heranwächst, fühlen sich breite Teile der Bevölkerung vom Fortschritt ausgeschlossen. Armut und wachsende Ungleichheit könnten den sozialen Frieden bedrohen. Schon jetzt wirken sich Gewalt und Kriminalität nachteilig auf die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung des Landes aus. Durch die Flüchtlingsbewegungen hat Südafrika eine weitere Herausforderung zu meistern. Es leben rund 3 Millionen geflüchtete Menschen im Land.
Das Land gilt als wirtschaftliche und politische Lokomotive für den afrikanischen Kontinent. Es hat maßgeblichen Einfluss auf die politische Stabilität Afrikas. Jahrelang ist die Wirtschaft Südafrikas kontinuierlich gewachsen. 2009 hat die globale Wirtschaftskrise diesem Wachstum Einhalt geboten. Mehr als eine Million Arbeitsplätze sind seither verloren gegangen und der Trend hält an. Betroffen sind vor allem Menschen mit geringer Bildung und ohne Ausbildung – fast die Hälfte der Bevölkerung. Sie sind auf dem formalen Arbeitsmarkt chancenlos. Gleichzeitig ist der Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften der limitierende Faktor für die weitere Entwicklung der Wirtschaft. Bildung und Ausbildung stehen deshalb ganz oben auf der politischen Agenda.
Während die Nachfrage nach bezahlbarer und sauberer Energie steigt, gewinnt Südafrika seinen Strom noch immer überwiegend aus der einheimischen Kohle und ist einer der 15 größten Verursacher von Treibhausgasen. Gleichzeitig ist das Land stark vom Klimawandel betroffen. Südafrika hat aber ein großes Potenzial für erneuerbare Energien und kann Strom durch effizientere Nutzung an vielen Stellen einsparen, ohne das wirtschaftliche Wachstum zu gefährden. Die südafrikanische Regierung hat deshalb Initiativen auf den Weg gebracht, welche die Stromversorgung langfristig sichern, Kohlendioxid-Emissionen reduzieren und gleichzeitig umweltfreundliche Arbeitsplätze schaffen sollen.
In der Entwicklungszusammenarbeit und der politischen Bildung, die für mich in den drei Tagen meines Besuches im Mittelpunkt standen, gibt es weiterhin viel zu tun. Gute Regierungsführung und Staatsverwaltung scheinen mir, insbesondere nach der Regierungszeit von Präsident Jacob Zuma, dringend reformbedürftig. Auch bin ich davon überzeugt, dass Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für die Jugend und Prävention von Gewalt weiterhin im Vordergrund unserer Entwicklungszusammenarbeit stehen müssen. Die politischen Stiftungen und Kooperationspartner leisten hierfür einen entscheidend wichtigen Beitrag.
Besonders gefreut hat es mich, dass ich im Rahmen meines Besuches in den Townships von Kapstadt ein Projekt besuchen konnte, für das ich in meiner Zeit in der Pfarrjugend schon spenden gesammelt habe. Damals haben wir alte Schiffscontainer zur Kindergarten- und Schulcontainern umbauen lassen. Heute steht an deren Stelle eine gemauerte (Vor-)Schule.