Dr. Wolfgang Stefinger, Daniela Sauer (Leiterin des KITZ) und Dr. Bernd Neidl (Geschäftsbereichsleiter für Kintertageseinrichtungen) © Büro Dr. Wolfgang Stefinger

Die Sprach-Kitas müssen bleiben! Mein Besuch im Kindertageszentrum Neuperlach

Sie veranstaltet Theateraufführungen, das Bilderbuch-Kino, sie betreut die Bibliothek. Sie schult ihre Kolleginnen und Kollegen und vor allem gibt es viel zu organisieren – die Fachkraft für Sprachförderung im Kindertageszentrum Neuperlach (KITZ) hat alle Hände voll zu tun. Nun soll die staatliche Förderung „Sprach-Kitas“, über die diese Stelle bezahlt wird, wegfallen.

Eine Kürzung an der völlig falschen Stelle

7.300 Kitas sind bundesweit von der Sparmaßnahme der Ampel-Regierung betroffen – und das, obwohl die Regierung noch im Koalitionsvertrag vereinbart hatte, das Programm weiterzuentwickeln und zu verstetigen.

Kunstwerke der Kinder im KITZ Neuperlach © Büro Dr. Wolfgang Stefinger

Ich finde: Das ist eine Kürzung an der völlig falschen Stelle. Wir alle wissen, wie wichtig frühkindliche Bildung ist. Bei Kindern mit Unterstützungsbedarf legen die Sprach-Kitas das Fundament für schulischen und beruflichen Erfolg. Zu einem späteren Zeitpunkt aufzuholen, was hier in jungen Jahren versäumt wird, ist für die Betroffenen viel mühsamer und für die Staatskasse deutlich teurer. Um aus erster Hand zu erfahren, welche Folgen die Kürzung verursachen wird, habe ich das Kindertageszentrum Neuperlach in meinem Wahlkreis besucht und mit den Verantwortlichen dort gesprochen.

Gute Projekte werden wieder eingestampft

„Sieben bis acht von neun Sprach-Kita-Kräften werden bei uns wegfallen.“, sagte mir Dr. Bernd Neidl im Gespräch. Neidl ist als Geschäftsbereichsleiter für das KITZ und viele weitere Kindertageseinrichtungen zuständig. „Wir können die Menschen zwar weiter beschäftigen, aber in anderen Positionen. Als Fachkräfte für die Sprachförderung können wir sie uns jedenfalls nicht mehr leisten.“

Es gebe hier ein grundsätzliches Dilemma. „Es gibt viele gute Projekte, die eine Zeit lang gut laufen und dann wieder eingestampft werden, die ‚Sprach-Kitas‘ zum Beispiel. Dann gibt es das nächste Programm zur, ich sag‘ mal, Bewegungsförderung, für fünf Jahre. Langfristige Planung und Kontinuität für die Kinder ist fast unmöglich.“

Viel Aufholbedarf bei Kindern nach Corona

Auch Daniela Sauer, Leiterin der Neuperlacher Kindertagesstätte, zeigte sich bei unserem persönlichen Austausch sehr besorgt: „Wir sind ein Haus, das gut besetzt ist. Aber ich wüsste trotzdem nicht, wer hier die Aufgaben unsere Sprach-Kita-Fachkraft übernehmen sollte. Es würde sehr viel wegfallen.“

Gespräch mit Daniela Sauer und Dr. Bernd Neidl © Büro Dr. Wolfgang Stefinger

Der Zeitpunkt der Kürzungen könnte ungünstiger nicht sein. Zweieinhalb Jahre Corona-Pandemie haben bei den Kindern Spuren hinterlassen. „Wir haben Eltern, die selber nicht lesen und schreiben können. Wir haben viele Kinder mit Logopädie-Bedarf. Seit der Corona-Pandemie werden es immer mehr, weil die Kinder lange nicht in der Kita waren.“, erklärte Sauer mir die Situation.

1,2 Millionen Euro Fördergeld werden fehlen

Der Förderbedarf sei gerade besonders groß und es gebe vieles aufzuholen. „Durch das Programm ‚Sprach-Kitas‘ lernen Kinder, sich mit Büchern zu beschäftigen, die Konzentration wird dadurch gefördert und sie haben vor allem viel Spaß daran. Das Programm ist unglaublich wertvoll und die Streichung wird eine riesige Lücke reißen.“, sagte Frau Sauer.

Im Münchner Osten sind über 40 Kindertagesstätten von der Streichung des Bundesprogramms „Sprach-Kitas“ betroffen. Knapp 1,2 Millionen Euro Förderung flossen 2022 an die Sprach-Kitas im Wahlkreis. Im nächsten Jahr wird das Geld fehlen.

Sprache ist der Schlüssel für ein gutes Leben

Mein Besuch hat mir noch einmal deutlich gezeigt, was hier Kostbares wegfallen würde. Die Bundesregierung lässt nicht nur die Kitas und Kinderpflegekräfte, sondern vor allem die förderbedürftigen Kinder im Regen stehen. Natürlich müssen wir sparen, das ist eine Frage der Generationengerechtigkeit. Aber an dieser Stelle kann ich nur sagen: falsches Programm, falscher Zeitpunkt!

Es ist nämlich auch eine Frage der Gerechtigkeit, Kindern die gleichen Chancen zu geben. Das Beherrschen der deutschen Sprache ist dafür unerlässlich. Das eröffnet Bildungschancen und damit die Chance auf ein gutes, erfülltes und produktives Leben. Manche Kinder brauchen hier Unterstützung, die ihre Eltern in manchen Fällen nicht selbst leisten können. Das macht „Sprach-Kitas“ so wichtig!

Die Bundesregierung muss umsteuern

Ich fordere die Bundesregierung dringend auf, ihre Entscheidung zu überdenken, und appelliere an meine Bundestagskolleginnen und-kollegen, vor allem der Ampel-Fraktionen, die Regierung zum Umdenken zu bewegen. Die „Sprach-Kitas“ müssen erhalten bleiben oder zumindest muss eine Anschlussfinanzierung organisiert werden. Da ist allerdings Tempo gefragt. Für die Sprachförderung braucht es Fachkräfte, die sich nach einem anderen Job umschauen werden, wenn nicht sicher ist, ob ihre Stellen 2023 bezahlt werden können.