Testen bleibt weiterhin ein wichtiges Instrument der Pandemie-Bekämpfung © Pixabay

Bevölkerungsschutzgesetz – die wichtigsten Antworten im Überblick

Wir stecken mitten in der dritten Welle der Corona-Pandemie. Deshalb hat die Regierungskoalition eine weitere Änderung des Infektionsschutzgesetzes a...

Deutschland steckt mitten in der dritten Welle der Corona-Pandemie. Die Zahl der Neuinfektionen steigt stetig. Den Kliniken, insbesondere den Intensivstationen, droht Überlastung. Und noch immer sterben viel zu viele Menschen. Deshalb hat die Regierungskoalition eine weitere Änderung des Infektionsschutzgesetzes auf den Weg gebracht, die ab einer 100er-Inzidenz in Landkreisen und kreisfreien Städten bundeseinheitliche Maßnahmen vorsieht – darunter Kontaktbeschränkungen, Ladenschließungen und nächtliche Ausgangsbeschränkungen. Ganz wichtig: Alle Notbremse-Maßnahmen sind bis zum 30. Juni 2021 befristet.

Um zu erläutern, warum diese Maßnahmen erforderlich sind, finden Sie hier Antworten auf häufig gestellte Fragen:

  • Warum brauchen wir eine bundeseinheitliche Regelung?

Ein bundeseinheitliches Vorgehen ist notwendig, um den Beschlüssen der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten der Länder bundesweite Geltung zu verschaffen. Denn die Maßnahmen wurden nicht in allen Ländern umgesetzt. Dies ist jedoch in dieser kritischen Pandemie-Lage erforderlich. Seit Mitte Februar 2021 werden in Deutschland deutlich steigende Infektionszahlen registriert; seit Mitte März hat sich der Anstieg der Fallzahlen beschleunigt. Derzeit wird in Deutschland eine Sieben-Tage-Inzidenz von 165,3 registriert. Erfahrungsgemäß kommen diese höheren Zahlen binnen zwei Wochen auf den Intensivstationen an. Das heißt: Deutschland befindet sich mitten in der dritten Welle.

Die mittlerweile in Deutschland dominante Virusvariante B.1.1.7 ist nach bisherigen Erkenntnissen deutlich infektiöser und verursacht offenbar schwerwiegendere Krankheitsverläufe. Täglich werden mehr Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen eingeliefert, darunter auch immer mehr jüngere. Noch immer sterben jeden Tag viele Menschen an der Infektion. Auch die Fälle derer, die unter Langzeitfolgen – genannt: „Long Covid“ – leiden, häufen sich bereits jetzt.

Die Impfkampagne kann indes nur zum Erfolg führen, wenn das Infektionsgeschehen gleichzeitig reduziert wird. Denn damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass das Virus sogenannte Escape-Varianten bildet. Gegen solche Varianten könnten die vorhandenen Impfstoffe weniger wirksam sein, und die Impfkampagne würde in ihrer Wirksamkeit insgesamt gefährdet.

Ein bundesweit einheitliches Vorgehen war von Anfang an Ziel des Bundes. Schon im November 2020 wurde mit dem Dritten Bevölkerungsschutzgesetz der Rahmen gesetzt. Darin wurden die Instrumente definiert, die Ausgestaltung wurde aber den Ländern überlassen. Festzustellen ist jedoch, dass die Maßnahmen uneinheitlich, teilweise halbherzig und abweichend von den Vereinbarungen umgesetzt werden. Dadurch entsteht eine gravierende Lücke im Schutz vor weiteren Infektionen mit Covid-19.

Die nun vorgesehene bundesweit einheitliche Regelung der Maßnahmen gibt Klarheit darüber, was in den Landkreisen oder kreisfreien Städten gilt, deren Sieben-Tages-Inzidenz drei Tage lang über 100 liegt. Mit der Klarheit steigt auch die Akzeptanz für das Krisenmanagement.

  • Warum beziehen sich die Regelungen einzig auf den Inzidenzwert?

Die Sieben-Tage-Inzidenz ist nach wie vor der aussagekräftigste Wert über den Stand der Pandemie. Die Erkenntnisse der vergangenen 13 Monate zeigen: Dieser Wert erlaubt verlässliche Prognosen über die Pandemieentwicklung. Andere Werte wie der R-Wert – also die Ansteckungsrate – oder die Auslastung der Intensivstationen hängen mittelbar mit der Inzidenz zusammen. So folgt beispielsweise die Steigerung der Zahl der Intensivpatienten oder die Zahl der Todesfälle mit einer mehrwöchigen Verzögerung dem Anstieg der Neuinfektionen.

Die Sieben-Tage-Inzidenz ist zielgenau, weil sie tagesaktuelle Schwankungen, die auch zufallsbedingt sein können, ausgleicht. Sie ist außerdem für die Bürgerinnen und Bürger klar und nachvollziehbar und kann tagesaktuell und landkreisgenau auf der Webseite des Robert-Koch-Instituts nachgesehen werden. Insofern sorgt sie auch für Rechtssicherheit.

  • Warum wird die Schwelle bei der 100er-Inzidenz angesetzt?

Der Höhe nach ist die Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner angemessen, weil spätestens ab dieser Schwelle eine Eindämmung der Pandemie nur noch mit umfassenden bundeseinheitlichen Maßnahmen möglich ist. Bei einer 100er-Inzidenz können die Gesundheitsämter die Kontakte von Infizierten nicht mehr nachverfolgen und Infektionsketten nicht mehr durchbrechen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die leichter übertragbare und aggressivere Virusvariante B.1.1.7 – auch britische Mutante genannt – inzwischen mit 90 Prozent der registrierten Neuinfektionen das Infektionsgeschehen dominiert.

Ab einer Inzidenz von 100 bei einer gleichzeitig zunehmenden Zahl frisch Geimpfter, die noch nicht vollständig immunisiert sind, droht auch in erhöhtem Maß die Gefahr, dass das Virus Escape-Varianten bildet. Gegen solche Mutanten könnten die vorhandenen Impfstoffe weniger wirksam sein. Der Erfolg der Impfkampagne würde dadurch massiv gefährdet. Und nur die Impfung bietet letztlich die Möglichkeit, in absehbarer Zeit weitestgehend zu einem normalen Leben zurückkehren zu können.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine Inzidenz von 100 in dem Moment, in dem ein relevanter Teil der Bevölkerung geimpft ist, sogar eine höhere Ansteckungswahrscheinlichkeit für den Rest bedeutet. Ein Rechenbeispiel: Wenn 50 Prozent der Bevölkerung geimpft sind, bedeutet eine Inzidenz von 100 in der Gesamtbevölkerung eine Inzidenz 200 bei den noch nicht Geimpften.

  • Warum sieht das Gesetz Ausgangsbeschränkungen vor?

Das Gesetz sieht eine Ausgangsbeschränkung zwischen 22 und 5 Uhr vor – mit Ausnahmen für Notfälle, Berufsausübung, Pflege und Betreuung, Tierversorgung oder ähnlich gewichtige Gründe. Dabei besteht zwischen 22 und 24 Uhr zusätzlich noch die Möglichkeit, sich allein – etwa zu einem Spaziergang – in der Öffentlichkeit aufzuhalten. Ausgangsbeschränkungen sind ein scharfes Schwert und sicherlich eine der umstrittensten Maßnahmen im Katalog der Regelung. Gleichwohl werden sie nach Meinung von Experten für diese schwierige Phase als notwendig erachtet.

Ausgangsbeschränkungen sind dabei ein Baustein im Maßnahmen-Mix gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Sie haben zum Ziel, die Zahl der zwischenmenschlichen Kontakte zu reduzieren und Mobilität zu beschränken. Studien belegen die Wirksamkeit der Maßnahme. In einer kanadischen Untersuchung konnte beispielsweise festgestellt werden, dass nächtliche Ausgangsbeschränkungen die Mobilität in einer Provinz im Vergleich zur Nachbarprovinz um 31 Prozent senkten. Britische Forscher halten Ausgangsbeschränkungen für geeignet, um den R-Wert, also die Angabe, wie viele andere Personen ein Infizierter ansteckt, um 13 Prozent zu senken.

In anderen europäischen Ländern und weltweit haben sich Ausgangsbeschränkungen bei hohen Inzidenzwerten als Mittel zur Eindämmung der Pandemie bewährt. Länder wie Großbritannien oder Portugal haben ihr Pandemiegeschehen mit teilweise weitaus rigoroseren Ausgangsbeschränkungen als die nun für Deutschland vorgesehenen wieder unter Kontrolle gebracht. Sie haben auf diese Weise Leben gerettet und die Funktionsfähigkeit ihres Gesundheitssystems sichergestellt.

Hierzulande gibt es bereits in einigen Bundesländern nächtliche Ausgangsbeschränkungen. Die überwiegende Zahl der verwaltungsgerichtlichen und verfassungsgerichtlichen Entscheidungen hat deren Zulässigkeit nicht in Frage gestellt. Verfassungsrechtlich ist es dabei nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber dem Schutz von Leben und Gesundheit höheres Gewicht einräumt als den durch die Ausgangsbeschränkung hervorgerufenen Beeinträchtigungen.

  • Wie passen Ausgangsbeschränkungen zu den Erkenntnissen der Aerosol-Forscher, wonach Menschen gerade draußen vor Ansteckungen besser geschützt sind?

Dass die Ansteckungsgefahr im Freien geringer ist, wird nicht bestritten. Darauf kommt es in diesem Zusammenhang aber nicht an. Ziel ist es, generell Kontakte zu reduzieren und Mobilität einzuschränken. Wenn Menschen ausgehen, dann in der Regel, um andere Menschen zu besuchen, mit denen sie sich dann in geschlossenen Räumen aufhalten. Je weniger Menschen sich im öffentlichen Raum bewegen, desto seltener begegnen sie anderen Menschen, desto geringer ist die Infektionsgefahr.

  • Warum sieht das Gesetz solch strenge Kontaktbeschränkungen vor?

Das Coronavirus SARS-CoV-2 wird vornehmlich durch die Atemluft übertragen. Wechselnde Zusammenkünfte mit unterschiedlichen Menschen erhöhen das Risiko, sich anzustecken. Besonders bei privaten Treffen wird es leider nach wie vor oftmals als Herausforderung oder gar Zumutung empfunden, hinreichend strenge Hygienevorschriften einzuhalten, etwa die ganze Zeit eine Maske zu tragen. Deshalb sollen Zusammenkünfte auf Mitglieder eines Haushalts mit höchstens einer weiteren Person beschränkt werden, am besten immer mit derselben. Die Vorschrift senkt nicht nur die Ansteckungsgefahr, sondern sie erleichtert es den Gesundheitsämtern auch, Infektionsketten nachzuvollziehen und wirksam zu unterbrechen.

Kinder bis 14 Jahre werden nicht mitgezählt, wenn sie bei Treffen zwischen Erwachsenen dabei sind. Auf diese Weise sollen soziale Kontakte, die gerade für Kinder und Jugendliche wichtig sind, nicht übermäßig eingeschränkt werden.

  • Warum soll es keine Regelung zu Modellprojekten geben?

Ein dynamisches Infektionsgeschehen mit einer Inzidenz über 100 lässt generell keinen Raum für Lockerungen des Lockdowns. Denn oberhalb dieser Schwelle kann man die exponentielle Ausbreitung des Virus – insbesondere der hochansteckenden Mutanten – mit Tests alleine nicht mehr unter Kontrolle bringen. Die Modellprojekte basieren demgegenüber aber auf konsequentem Testen.

Bedenken muss man in diesem Zusammenhang auch, dass Schnelltests nicht zu hundert Prozent richtige Ergebnisse liefern. Ein bescheinigter, negativer Test kann Menschen in trügerischer Sicherheit wiegen. Ob und wann jemand einen Selbsttest gemacht hat und wie er ausgefallen ist, lässt sich ohnehin nicht kontrollieren. Derartige Unschärfen mögen in Situationen niedrigerer Inzidenz verkraftbar sein. In einer so dramatischen Situation wie der aktuellen wären sie wohl unverantwortlich.

  • Warum sollen Schulen bei einer Inzidenz über 165 geschlossen werden?

Schulen sollen erst bei einer Inzidenz über 165 geschlossen werden. Das hat zwei Gründe: Zum einen haben Lehrerinnen und Lehrer bei den Impfungen Vorrang. Daher wird das schulische Personal in Gänze zeitnah durchgeimpft sein. Zum anderen geht man davon aus, dass das Infektionsgeschehen an Schulen unterhalb dieser Schwelle über regelmäßiges Testen kontrollierbar bleibt. Vorgesehen ist, dass die Schüler zweimal pro Woche getestet werden.

Berücksichtigt wird mit der Wahl des höheren Schwellenwertes auch, welche enormen Belastungen auf berufstätige Eltern zukommen, wenn sie über lange Zeit ihre Kinder selbst betreuen oder eine Betreuung organisieren müssen.

Darüber hinaus wird der Tatsache Rechnung getragen, dass Kinder und Jugendliche weniger gut auf menschliche Kontakte verzichten können als Erwachsene und dass sie in der Schule auch sozialen Umgang erlernen. Gleichzeitig ist klar: Über die Schulen findet derzeit trotz der Hygiene- und Vorsorgemaßnahmen ein ganz erheblicher Teil des Infektionsgeschehens in Deutschland statt. Schüler und Kita-Kinder stecken sich erst gegenseitig an und tragen dann die Infektion in ihre Familien – mit entsprechenden Gefahren für Eltern, Geschwister und andere Verwandte. Experten gehen davon aus, dass Schulen am R-Wert, also an der Ansteckungsrate, derzeit einen Anteil von 0,2 haben. Mit anderen Worten: Beträgt der R-Wert 1,4, könnte er alleine um ein Siebtel gesenkt werden, wenn die Ansteckung über die Schulen entfiele.

Gleichwohl bedeutet dies eine erhebliche Härte für Kinder und Eltern, ganz besonders für diejenigen, die in sozial schwierigen Verhältnissen leben. Um diese Härten zumindest ein wenig abzufedern, sieht die Regelung eine Ausnahme für Kindersport im Freien vor.

  • Welche Regelungen sollen künftig für Geimpfte gelten?

Das Gesetz gibt der Bundesregierung den Spielraum, per Rechtsverordnung mit Zustimmung von Bundestag und Bundesrat Geimpften – ebenso wie negativ Getesteten oder nach einer Covid-Erkrankung immun gewordenen Menschen – mehr Freiheiten zu geben. Welche Erleichterungen das sein können, wird darin nicht festgelegt, um dem Verordnungsgeber den erforderlichen Spielraum zur Reaktion auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu geben.

Vollständig gegen das Coronavirus geimpfte Personen sollen zeitnah Freiheiten zurückbekommen, die andere nur durch Tests erhalten. Diesem Umstand liegen Erkenntnisse des Robert-Koch-Instituts (RKI) zugrunde, wonach das Risiko, dass vollständig Geimpfte das Virus weitergeben, geringer ist als bei negativ Getesteten. Geimpfte Personen müssen dann beispielsweise bei Flugreisen oder im Einzelhandel keine Tests mehr vorweisen. Hier besteht allerdings noch eine unsichere Erkenntnislage, etwa dazu, wie lange die Immunität bei Genesenen anhält und ob alle Impfstoffe gleichermaßen auch vor der Weitergabe des Virus an Dritte schützen. Diese Erkenntnisse werden bei der Ausgestaltung der konkreten Regelungen einzubeziehen sein.

Angepasst werden sollen nach Angaben des Bundesgesundheitsministers auch die Quarantäneregeln für Geimpfte. So müssten sich Kontaktpersonen von Infizierten nicht mehr isolieren, wenn sie schon mehr als zwei Wochen vollständig geimpft sind und keine Symptome haben. Abstands- und Hygieneregeln gelten für Geimpfte allerdings weiter unverändert – wie für alle anderen auch.

  • Warum ist das Gesetz nicht zustimmungspflichtig?

Bundesgesetze sind normalerweise Einspruchsgesetze. Sie bedürfen nur dann der Zustimmung des Bundesrates, wenn das Grundgesetz dies ausdrücklich vorsieht, wenn sie also Regelungen enthalten, die einen der im Grundgesetz genannten Tatbestände erfüllen. Typische Fälle sind etwa, wenn bestimmte Verwaltungskompetenzen der Länder tangiert werden. Der Normalfall aber, dass Länder zur Durchführung von Bundesgesetzen verpflichtet sind, löst aus sich heraus nicht die Zustimmungsbedürftigkeit aus. Es genügt also nicht, wenn ein Bundesgesetz nur Länderinteressen berührt, um die Zustimmungsbedürftigkeit auszulösen. Bei der hier vorliegenden Gesetzesregelung ist keiner der Fälle, die Zustimmungsbedürftigkeit auslösen, gegeben. Eine Zustimmung des Bundesrates lediglich aus politischen Gründen einzuholen, wäre nicht zulässig. Die Entscheidung, ob ein Gesetz im Bundesrat zustimmungsbedürftig ist oder lediglich als sogenanntes Einspruchsgesetz behandelt wird, ist vielmehr eine reine Frage des Verfassungsrechts.

Eine Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes ergibt sich auch nicht aus möglichen Kostenfolgen für die Länder bei der Ausführung des Gesetzes. Die Notbetreuung bei Schulen oder Kitas kann zwar als Dienstleistung oder geldwerte Sachleistung angesehen werden. Das Gesetz verpflichtet die Länder jedoch nicht, diese Leistungen zu erbringen. Es stellt lediglich klar, dass auch bei Schließungen eine Notbetreuung infektionsschutzrechtlich zulässig ist.