Koalitionen sind nie einfach. Grundsätzlich ist die Bundesrepublik Deutschland allerdings bisher gut damit gefahren, dass unser Wahlrecht die Alleinregierung einer Partei auf Bundesebene nahezu unmöglich macht. Tun sich zwei oder mehrere Parteien für ein Regierungsbündnis zusammen, fühlen sich mehr Bürger von dieser Koalition repräsentiert, es müssen Kompromisse gefunden werden, mit denen weite Teile der Bevölkerung gut leben können. Kurz: Eher Konsens statt ständiger Konfrontation.
So weit die Theorie und auch die Praxis der jüngeren Vergangenheit. Was die Ampel derzeit aber abliefert, ist ob des Dauergezankes eher mit einer Daily Soap als mit einer stabilen Regierung vergleichbar. Man fragt sich, was dieses Bündnis überhaupt noch zusammenhält außer die Angst vor Neuwahlen?
Unausgegorenes Heizgesetz
Da wäre zunächst Habecks Heizgesetz. Nachdem sich die Fraktionsspitzen von SPD, Grünen und FDP Anfang der Woche erneut nicht einigen konnten, mussten erst die „Big Guns“ antanzen – Kanzler Scholz, Vizekanzler und Wirtschaftsminister Habeck sowie Finanzminister Lindner –, um ihre Fraktionsvorsitzenden zu einem Kompromiss zu zwingen – vor allem natürlich um der Peinlichkeit zu entgehen, das Gesetz erneut nicht zur Beratung in den Bundestag geben zu können.
Peinlich war es dennoch: Da man so lange für die Einigung gebraucht hatte, wurde formal noch der alte Habeck-Graichen-Entwurf im Plenum beraten. Inoffiziell flankiert von dem dreiseitigen „Leitplanken-Papier“, auf das man sich in letzter Minute geeinigt hatte. Habeck sprach am Rednerpult selbst davon, dass man bei der gesetzgeberischen Kür mit Abstrichen agiere. So kann man Chaos natürlich auch nennen.
Wobei „geeinigt“ hier sowieso ein großes Wort ist. In der Debatte schien immer wieder durch, dass sich Abgeordnete der drei Regierungsparteien in vielen Punkten immer noch nicht einig waren. Journalisten berichteten außerdem, dass sie auf dieselbe Detailfrage völlig unterschiedliche Antworten aus den Reihen von Grünen und FDP erhielten.
Wackliger Asyl-Kompromiss
Das Heizgesetz dürfte auch Thema bei dem kleinen Parteitag der Grünen in Bad Vilbel an diesem Wochenende werden. Weite Teile der Partei haben das Gefühl, von der FDP über den Tisch gezogen worden zu sein. Von einem „entkernten Gesetz“ wird geraunt. Als noch brisanter wird sich jedoch vermutlich das Thema Asyl erweisen.
Der Hintergrund: Die grüne Außenministerin Baerbock hat dem von Innenministerin Faeser mit ausgehandelten EU-Beschluss für eine härtere Flüchtlings- und Asylpolitik zugestimmt. Der sieht vor, dass Menschen aus als sicher geltenden Ländern künftig nach dem Grenzübertritt in streng kontrollierte Einrichtungen kommen, auch Familien mit kleinen Kindern. Dort soll dann innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob die Antragsteller Chancen auf Asyl haben. Wenn nicht, sollen sie umgehend zurückgeschickt werden.
Diese Zustimmung versuchen der linke Flügel der Öko-Partei und die Grüne Jugend nun wieder rückgängig zu machen. Unmenschlich sei der Vorschlag, Haftanstalten an der EU-Außengrenze seien nicht hinnehmbar. In der hessischen Kleinstadt dürfte es viel Zunder geben – und wenn sich die Kritiker des Asyl-Kompromisses durchsetzen, winkt schon die nächste Koalitionskrise.
Warten auf den Bundeshaushalt 2024
Eine Premiere hat uns die Ampel außerdem beschert: Der Finanzminister sah sich offenkundig außerstande, die haushalterischen Realitäten mit den Wünschen der Ampel-Koalitionäre unter einen Hut zu bringen. Der Kanzler musste höchstpersönlich eingreifen und die sparunwilligen Minister ins Gebet nehmen. Das gab es noch nie! Und es hat nicht einmal etwas gebracht: Am Montag verstrich eine Frist, innerhalb der die Ressorts ihre Einzelpläne für die Aufstellung des Bundeshaushalts 2024 beim Bundesfinanzministerium vorlegen sollten. Im Etat klafft noch immer ein gewaltiges Loch von 20 Milliarden Euro, wenn die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse eingehalten werden soll.
Diese Hängepartie muss endlich beendet werden! Am Haushalt zeigt sich eines sehr deutlich: Sobald die innere Zerrissenheit der Ampel nicht mit Geld zugekleistert werden kann, hält diese Koalition nichts mehr zusammen.