© Pixabay

Weicher Brexit, harter Brexit oder Exit vom Brexit?

Der Ausgang des Referendums von 2016 und die Folgen

Wir erinnern uns: Im Juni 2016 hatte eine knappe Mehrheit der Briten (51,89 Prozent) für einen Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU votiert, was ich und die überwältigende Mehrheit meiner Kolleginnen und Kollegen zutiefst bedauern. Erstmals in der Geschichte der EU stellte ein Mitgliedstaat den Antrag auf einen Austritt, dazu noch die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU. Die Wähler in Schottland, Nordirland und im Großraum London hatten allerdings mehrheitlich für den Verbleib in der EU gestimmt. Das Königreich war und bleibt bis heute tief gespalten. Die neue britische Premierministerin Theresa May geriet gleich in schweres Fahrwasser, sowohl innerparteilich als auch gegenüber Brüssel und den Mitgliedstaaten. Spannungen zeigten sich zudem im Verhältnis zu den Schotten und Nordiren. Brüssel, die anderen Hauptstädte und London standen nun vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die im Wesentlichen um die folgenden Fragen kreisten: Was bedeutet ein Ausstieg des Königreiches für die EU und das Land selbst? Welche Folgen hat der „Brexit“ auf die einzelnen Politikbereiche, wie etwa die Außen- und Sicherheitspolitik, den EU-Haushalt, das institutionelle Gefüge der EU, die Forschungs- und Innovationspolitik und die gegenseitigen Handelsbeziehungen? Wie würde sich das künftige Verhältnis zwischen Brüssel und London gestalten? Was bedeutet der Austritt für die Stellung der EU in der Welt und für die der Briten? Nicht zuletzt ging es auch um Zahlungsforderungen der EU an die Adresse Londons, von einigen Experten auf bis zu 100 Milliarden Euro beziffert.

Harte Verhandlungen, Ratifizierung des „Brexit“ verschoben

Im Folgenden begannen harte und intensive Verhandlungen über das beiderseits angestrebte Austrittsabkommen, die eigentlich bis Oktober dieses Jahres abgeschlossen sein sollten. In Großbritannien selbst, insbesondere innerhalb der Conservative Party, tobte eine heftige Kontroverse um die Frage, ob ein „weicher Brexit“ (Freihandelszone statt Binnenmarkt) oder ein „harter Brexit“ (EU-Austritt ohne Abkommen) anzustreben sei. Mitte November 2018 legten die Europäische Kommission und die britische Regierung schließlich einen über 580-seitigen Entwurf für ein Austrittsabkommen vor. Kurz darauf wurde der Vertrag vom Rat der Staats- und Regierungschefs der EU unterzeichnet – ein Ergebnis, mit dem man aus meiner Sicht vom Grundsatz her gut hätte leben können. Doch noch immer gab es strittige Fragen. Besonders umstritten war bzw. ist die sog. Auffanglösung („Backstop“), die Grenzkontrollen zwischen dem EU-Mitglied Irland und der zum Königreich gehörenden Provinz Nordirland und damit eine Gefährdung des fragilen Friedens auf der irischen Insel vermeiden sollten. Hier forderte Premierministerin May weitere Zugeständnisse von der EU, über die beim jüngsten EU-Gipfel jedoch keine Einigung erzielt werden konnte. Daraufhin verschob May die Abstimmung über das Vertragspaket im britischen Unterhaus, um einer drohenden Abstimmungsniederlage zu entgehen.

Wie geht es nun weiter?

In dieser Woche hat der Deutsche Bundestag über das zwischen dem Königreich und der Europäischen Union ausgehandelte Austrittsabkommen debattiert. Aus Sicht von CDU/CSU wäre ein „weicher Brexit“, also eine einvernehmliche Lösung zu wünschen. Am allerbesten wäre natürlich der „Exit vom Brexit“, also die Rücknahme des Austrittsgesuchs und ein Verbleib der Briten in der EU-Familie. Ein „harter Brexit“, eine Trennung ohne vertragliche Basis, würde hingegen nur Verlierer kennen, da zentrale Fragen ungelöst bleiben würden. Das kann weder im deutschen oder europäischen, noch im britischen Interesse liegen. Vor wenigen Tagen entschied der Europäische Gerichtshof, dass ein austrittswilliger Mitgliedstaat seine Austrittserklärung einseitig zurücknehmen könne. Klar ist aber auch: Wir dürfen uns von der Regierung in London nicht erpressen lassen und das Verhandlungspaket nicht noch einmal aufschnüren. Es wäre fatal, würden Hardliner den Kurs diktieren. Was wir brauchen sind eine enge Wirtschaftspartnerschaft, welche die Schaffung einer Freihandelszone einschließlich einer tiefgreifenden Regelungs- und Zollzusammenarbeit sowie Regelungen zur Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen umfasst, und eine enge Kooperation bei Sicherheit und Verteidigung. Weder die EU und ihre Mitgliedstaaten, noch das Vereinigte Königreich allein können die vielfältigen Herausforderungen in Zeiten globalen Wandels alleine bewältigen. Wir brauchen uns gegenseitig!