Es ist der größte Bundestag aller Zeiten, die Bild-Zeitung spricht sogar vom „Bläh-Bundestag“ – durch den Anstieg der Überhang- und Ausgleichsmandate sind wir in dieser Wahlperiode 709 Abgeordnete. Auch wenn die Arbeit der Arbeitsgruppe „Wahlrechtsreform“ diese Woche erst einmal ergebnislos beendet wurde, sind wir uns doch alle einig, dass der Bundestag wieder kleiner werden muss.
Bindung zwischen Wählern und Wahlkreisabgeordneten wichtig
In der Berichterstattung war vielfach zu lesen, dass sich CDU und CSU einer Reform widersetzt hätten. Das stimmt so nicht. Richtig ist, dass wir uns gegen die Streichung von Wahlkreisen aussprechen. Und das aus gutem Grund: Würde man die Wahlkreise von jetzt 299 auf 250 verringern, wie die anderen Fraktionen es fordern, wäre jeder Wahlkreis flächenmäßig jeweils deutlich größer. Eine angemessene Repräsentanz durch den Wahlkreisabgeordneten wäre nicht mehr gewährleistet. Uns ist jedoch die Bindung zwischen Wählern und ihren Wahlkreisabgeordneten außerordentlich wichtig. Die Wählerinnen und Wähler sollten weiterhin die Chance haben, ihren direkt gewählten Abgeordneten persönlich kennenzulernen, und der Abgeordnete sollte die Anliegen seiner Wähler kennen. Alles andere würde in meinen Augen die Politikverdrossenheit nur noch verstärken. Zudem haben die Berechnungen gezeigt, dass sich durch eine Verringerung der Wahlkreise allein keine nennenswerte Reduzierung der Gesamtsitzzahl des Deutschen Bundestages erreichen lässt.
Für sinnvoller halte ich einen Vorschlag, der etwa die Einführung einer „Obergrenze“ für einen Ausgleichsmechanismus vorsieht. Denkbar wäre es aber auch, den Korridor, den das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich des Ausgleichs von Überhangmandaten gelassen hat, auszuschöpfen und den Ausgleich von Überhangmandaten etwa erst ab dem 16. Überhangmandat zu beginnen. Damit ließe sich ebenfalls die Zahl der Abgeordneten verringern, ohne dass in die Wahlkreisstruktur eingegriffen werden müsste.
Beste Lösung: echtes Zwei-Stimmen-Wahlrecht
Die beste Lösung aber wäre meines Erachtens ein vollständiger Systemwechsel: Der eine Teil der Abgeordneten wird mit der Erststimme direkt gewählt, der andere Teil der Abgeordneten mit der Zweitstimme über Landeslisten. Die direkt gewählten Abgeordneten werden nicht auf die Landeslisten angerechnet. Dadurch würde sowohl die Repräsentanz von Wahlkreisabgeordneten gesichert als auch dem Proportionalitätsprinzip Rechnung getragen. Es wäre ein echtes Zwei-Stimmen-Wahlrecht, bei dem beiden Stimmen entsprechendes Gewicht zukommt – einmal für den Wahlkreis und einmal für die Liste. Gleichzeitig ließe sich eine klar definierte Bundestagsgröße etwa bei 598 Abgeordneten festlegen. Sämtliche im derzeitigen personalisierten Verhältniswahlrecht erörterten verfassungsrechtlichen Probleme wie etwa das von Überhangmandaten oder negativem Stimmgewicht würden dadurch ausgeschlossen. Das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag würde wieder einfach und allgemein verständlich. Dieses System wird von der Opposition jedoch abgelehnt.