Grauer Raum, rote Rückwand und eine Wand aus großen schwarzen Schaumstoffwürfeln, auf denen „§ 219a“ steht. In Slow-Motion stoßen und treten verschiedene Abgeordnete des Deutschen Bundestages die Wand um, einer stürzt sich sogar im Hechtsprung in die aufgetürmten Quader hinein.
Mangelnde Ernsthaftigkeit bei der Ampel
Mit diesen Videos machte die SPD-Bundestagsfraktion auf Twitter auf den Gesetzesentwurf der Ampel zur Abschaffung des Werbeverbots für den Schwangerschaftsabbruch aufmerksam, der heute vom Deutschen Bundestag mit der Mehrheit der Regierungskoalition auch beschlossen wurde. Niemand hat etwas gegen zeitgemäße Kommunikation in den sozialen Medien, aber die SPD muss sich schon die Frage gefallen lassen, ob solche Videos der Ernsthaftigkeit des Themas angemessen sind.
Vor allem nachdem Vertreter der Ampel, eine Gruppe um die FDP-Abgeordnete Kristine Lütke, bereits vorher für ein Video Kritik geerntet hatten. Es zeigte fünf Mitglieder des Bundestages durch einen Gang tanzen, betitelt mit den Worten: „Wir auf dem Weg zur Abstimmung, um endlich § 219a aus dem StGB kicken zu können.“
Grundrechtskonflikt zwischen der Schwangeren und dem ungeborenen Kind
Um nicht falsch verstanden zu werden: Es geht hier mitnichten in erster Linie um Stilfragen. Im Kern geht es bei dem Thema Schwangerschaftsabbruch um einen Grundrechtskonflikt zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren und dem Lebensrecht und der Menschenwürde des ungeborenen Kindes. Als Union ist uns durchaus bewusst, dass es Situationen geben kann, in denen eine Frau die Schwangerschaft nicht fortsetzen will oder kann. Aus diesem Grund bekennen wir uns zu dem Kompromiss der Fristenlösung, der 1995 gefunden wurde und der die emotionale Debatte um die Abtreibung über Jahrzehnte hinweg weitgehend befriedet hat.
Die Vorschriften der §§ 218 ff. StGB und des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG) geben Raum zur Lösung von Konfliktkonstellationen, über die die Mutter innerhalb der Frist von zwölf Wochen ab Empfängnis eigenverantwortlich entscheidet. Dies erkennt an, dass der Schutz des Ungeborenen nur mit der Mutter, nicht gegen sie möglich ist. Zugleich gewährleisten die geltenden Regelungen, dass die Rechte des Ungeborenen zum Tragen kommen und so in die Entscheidung einbezogen werden. Im Mittelpunkt dieser Regelungen steht die verpflichtende Beratung bei einer anerkannten Beratungsstelle, die durch eine anschließende Wartefrist von drei Tagen bis zum Abbruch ergänzt wird. Zur Sicherung der Unabhängigkeit der Beratung und zum Schutz vor Interessenkonflikten ist eine strikte Trennung von Beratung und Durchführung des Abbruchs vorgeschrieben.
Werbung für Schwangerschaftsabbruch: Gefahr der Banalisierung
Werbung für Schwangerschaftsabbrüche war bisher verboten; dies trug dazu bei, dass das Gespür für das Lebensrecht des Ungeborenen im allgemeinen Bewusstsein nicht verloren geht. Es verhinderte eine Kommerzialisierung und Banalisierung dieses Eingriffs, durch den menschliches Leben beendet wird. Dabei wurde als Werbung grundsätzlich auch die Information verstanden, die mit einem eigenen Angebot zur Durchführung des Abbruchs gegen Honorar verbunden ist.
CDU und CSU sind in der Frage des Schwangerschaftsabbruchs nicht verbohrt
Um es klar zu sagen: Eine generelle Abschaffung des Werbeverbots wollten wir nicht. Da wir aber nicht ausschließen können, dass im Einzelnen Informationsdefizite bei betroffenen Frauen bestehen, setzen wir uns dafür ein, die Informationsmöglichkeiten in moderater Weise zu erweitern und unter Beibehaltung des Grundkonzepts des § 219a StGB eine Information künftig auch über das „Wie“, also über die Methoden – operativ oder medikamentös–, auf der Internetseite von Ärztinnen und Ärzten, Kliniken und Einrichtungen zuzulassen. Das gesetzgeberische Konzept sollte grundsätzlich beibehalten und gezielt verbessert werden. Dabei ist entscheidend, dass sich die Angaben auf die reine Sachinformation der Methode begrenzen und nicht durch anpreisende Angaben ergänzt werden!
Zugang zu Beratungsstellen und Ärztinnen und Ärzten sichern
Es gibt Berichte darüber, dass die Zahl der Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, stark zurückgegangen sei und es regional wohl zu weiten Anfahrten und zu ungewollten Verzögerungen komme. Das ist auch für uns nicht hinnehmbar, weshalb wir die Bundesregierung auffordern, sich gemeinsam mit den Ländern dahingehend ins Benehmen zu setzen, dass sichergestellt ist, dass Frauen sowohl Beratungsstellen als auch Ärztinnen und Ärzte, die bereit sind, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen, in allen Regionen Deutschlands finden.
Konfliktsituationen im Vorfeld verhindern
Es sollte auch unser aller Ziel sein, dass es gar nicht erst zu Schwangerschaftsabbrüchen kommt. Deshalb fordern wir als CDU/CSU-Fraktion, dass Versicherte bis zum vollendeten 25. Lebensjahr einen Anspruch auf Versorgung mit verschreibungspflichtigen empfängnisverhütenden Mitteln haben. Weiterhin soll es gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen freigestellt werden, die Kosten als vertragliche Leistung zu erstatten.
Gefahr der erneuten Politisierung des Schwangerschaftsabbruchs
Sie sehen, CDU und CSU sind in der Frage des Schwangerschaftsabbruchs nicht verbohrt. Wir wären durchaus bereit gewesen, Verbesserungen zu beschließen. In das allgemeine Triumphgeheul angesichts der heute beschlossenen Abschaffung des § 219a StGB können wir jedoch nicht einstimmen. Die Gefahr, die Frage des Schwangerschaftsabbruchs zu banalisieren und gleichzeitig wieder zu politisieren, ist schlicht zu groß.
Den Antrag der CDU/CSU-Fraktion finden Sie hier: Interessen der Frauen stärken, Schutz des ungeborenen Kindes beibehalten