Gespräch zum Thema Organspende am Transplantationszentrum Klinikum rechts der Isar. (c) Büro Dr. Stefinger

9.400 Menschen warten auf ein Spenderorgan – Besuch vor Ort, Debatte im Bundestag

Eine Organtransplantation ist für viele schwer kranke Menschen die einzige Chance zu überleben. 9.400 Menschen standen im letzten Jahr in Deutschland auf einer Warteliste, doch es gab nur 955 Spender. Viele Menschen sterben deshalb.

Umfragen zeigen, dass sich bis zu 80 Prozent der Deutschen vorstellen könnten, Organe zu spenden. Einen Organspendeausweis besitzen immerhin 36 Prozent. Und dennoch ist die Zahl der tatsächlichen Spenden so niedrig. Das macht deutlich, dass unsere bisherigen Versuche, die Zahl der Organspenden zu erhöhen, nicht zum Ziel geführt haben. Deshalb müssen wir handeln. Jeder Mensch sollte sich daher zumindest einmal im Leben mit dem Thema Organspende auseinandersetzen.

Mir ist wichtig, dass es bei diesem sensiblen Thema nicht um Parteipolitik geht. Im Vorfeld der heutigen Debatte im Bundestag habe ich daher das Transplantationszentrum am Klinikum rechts der Isar in München besucht, um mir vor Ort ein Bild über die aktuelle Situation zu machen. Der Deutsche Bundestag hat heute zwei vorliegende Gesetzesentwürfe beraten, die ich nachfolgend kurz darstellen möchte:

Doppelte Widerspruchslösung

Die Kernidee der doppelten Widerspruchslösung ist, dass alle Deutschen ab dem 16. Lebensjahr einmal entscheiden sollen, ob sie spenden möchten oder nicht. Es soll selbstverständlich werden, sich mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen. Wichtig ist dabei: Niemand muss seine Entscheidung begründen. Die Bürgerinnen und Bürger behalten zu jeder Zeit die volle Kontrolle über diese sehr persönliche Entscheidung. Es wird niemals einen Zwang zur Organspende geben! Bei diesem Gesetzentwurf wird der Entscheidungsprozess umgedreht. Heute muss sich jemand aktiv dafür entscheiden, dass sie oder er spenden will. Künftig würde davon ausgegangen, dass alle volljährigen Bürgerinnen und Bürger spenden möchten – es sei denn, sie haben widersprochen.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) soll jede Bürgerin und jeden Bürger dreimal schriftlich über die neue Regelung informieren und auf die Widerspruchsmöglichkeit hinweisen. Nur wer nach dreimaliger Information nicht widerspricht, ist möglicher Organspender bei einem Hirntod. Natürlich kann man seine Entscheidung, die in einem Register erfasst werden soll, jederzeit ohne Angaben von Gründen ändern – schriftlich oder online. Um sicherzustellen, dass eine Organspende wirklich im Sinne des möglichen Spenders ist, hat der Arzt oder die Ärztin in den Fällen, in denen kein Widerspruch vorliegt, den nächsten Angehörigen zu befragen. Wissen diese nichts von einem Widerspruch oder von einer der Organspende entgegenstehenden Äußerung, gilt man als Organspender.

Zum Gesetzesentwurf „Doppelte Widerspruchslösung“ 

Weiterentwickelte Entscheidungslösung

Der Gesetzentwurf der Entscheidungslösung setzt – wie bisher – auf eine bewusste und freiwillige Entscheidung der Menschen und deren ausdrückliche Zustimmung zur Organspende. Neben der Dokumentation der Entscheidung mit einem Organspendeausweis und/oder einer Patientenverfügung soll die Entscheidung in einem Online-Register erfasst werden. Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information soll das Register einrichten und führen.

Bürger sollen regelmäßig zur Spendenbereitschaft befragt werden. Hinweise auf die Registriermöglichkeit soll es beim Abholen von Ausweispapieren bei den zuständigen Stellen des Bundes und der Länder geben. Dort vor Ort soll eine freiwillige Registrierung ebenso möglich sein wie eine Registereintragung oder -änderung von zu Hause aus. Es erfolgt keine Aufklärungsarbeit durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ämter. Voraussetzung für die Nutzung des Registers soll eine entsprechende Aufklärung und ergebnisoffene Beratung der Menschen sein. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung soll dafür geeignetes Aufklärungsmaterial zur Verfügung stellen.

Zum Gesetzentwurf „Weiterentwickelte Entscheidungslösung“

Welche Regelungen gibt es in Europa?

Innerhalb Europas sind die Regelungen zur Organ- und Gewebespende nicht einheitlich. In Dänemark und der Schweiz gilt zum Beispiel die (erweiterte) Zustimmungslösung. Auch in den Niederlanden gilt die Zustimmungslösung, wobei hier eine Gesetzesänderung hin zur Widerspruchslösung ab Mitte 2020 in Kraft tritt. Innerhalb des Vereinten Königreichs weichen die Regelungen voneinander ab. Während in Wales die Widerspruchslösung gilt, wird im restlichen UK die Organ- und Gewebespende über die Zustimmungslösung geregelt.

  • (Erweiterte) Zustimmungslösung: Dänemark, Island, Litauen, Niederlande, Rumänien, Schweiz, Vereinigtes Königreich

  • Entscheidungslösung: Deutschland

  • Widerspruchlösung: Belgien, Bulgarien, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland Italien, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Türkei, Ungarn

Fest steht: Bei Auslandsaufenthalten gilt die Regelung zur Organspende nicht nur für die Staatsangehörigen des jeweiligen Landes, sondern für alle Menschen, die sich in dem Land aufhalten. Das bedeutet: Wenn eine Person im Ausland verstirbt, so wird sie nach der gesetzlichen Regelung des jeweiligen Landes behandelt, nicht nach der des Heimatlandes.